Rettung im Wasser

Wie verhindert man Todesfälle im Wasser? Das und noch viel mehr durften wir während eines SLRG-Kurses für Rettungsschwimmer lernen.
Eine Reportage von Laurent Schenk und Léon Sermet.

Auf der ganzen Welt ertrinken täglich Menschen im Schwimmbad, im Fluss, im See und im Meer. Hier in der Schweiz haben wir das Glück, dass unsere Wassersicherheit und Unfallprävention sehr stark ausgebaut ist. Doch wer rettet ertrinkende Menschen und setzt sich für die Prävention im Umgang mit Wasser ein? Die Antwort auf diese Frage lautet: Die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft, kurz SLRG.

Der Tag unseres SLRG-Kurses

An einem Sonntagmorgen um 8:00 treffen wir (Laurent Schenk und Léon Sermet) uns vor dem Schwimmbad Worb. Als wir herausfinden, dass sich der Treffpunkt für unseren Kurs im Innern des Bades und nicht bei der Eingangstür befindet, gehen wir ins Bad hinein. Wir werden von Barbara von Steiger begrüsst. Barbara bezeichnet sich selbst als Wasserratte. Sie ist schon lange bei der SLRG und hat sehr viel Erfahrung in ihrer Tätigkeit. Barbara ist Rettungsschwimmexpertin für Pool, Fluss und See und unterrichtet gerne Personen im Wasser. Nebenbei ist sie auch noch diplomierte Schwimminstruktorin und es ist ihr wichtig, auch jüngere Menschen für die Arbeit der SLRG zu begeistern und die Bevölkerung im Umgang mit Wasser aufzuklären. Deshalb hat sie sich dazu bereiterklärt, uns zusätzliche Informationen über die SLRG in Form eines Interviews zu geben.

Freibad Worb (11.11.2022) (Bild: Léon Sermet)
Freibad Worb (11.11.2022) (Bild: Léon Sermet)

Langsam treffen auch die anderen Teilnehmer*innen des Kurses ein und die Gruppe wächst. Mit uns im Kurs sind hauptsächlich Personen, welche sich mit einer Gruppe in unbewachten Schwimmbädern aufhalten möchten oder Interesse am Rettungsschwimmen zeigen. Deshalb nehmen an diesem Kurs auch die unterschiedlichsten Personen teil. Es sind jüngere und ältere Personen dabei, einige Teilnehmer sind Lehrer, andere gehen selbst noch zur Schule. Als alle anderen Teilnehmer eingetroffen sind und die Gruppe vollständig ist, beginnt Barbara den SLRG-Kurs.

Die SLRG wurde bereits 1933 gegründet. Bis heute existieren in der gesamten Schweiz etwa 130 Sektionen, welche zusammen zirka 25‘000 Mitglieder aufweisen. Die SLRG ist eine eigenständige Organisation, welche aber eine gute Zusammenarbeit mit der BFU (Beratungsstelle für Unfallverhütung), dem Schweizerischen Roten Kreuz und dem ILS (International Life Saving) pflegt.
Obwohl sich Mitglieder der SLRG-Sektionen freiwillig für die Wassersicherheit engagieren, benötigt die SLRG Geld, einerseits um die Angestellten der Geschäftsstellen zu entlöhnen, aber auch um Kampagnen zu finanzieren. Die SLRG kann jährlich auf einen Betriebsertrag von ca. 2.3 Millionen Schweizer Franken zurückgreifen. Dieses Geld verdient die SLRG zu 53% aus den Einnahmen ihrer Kurse. Einen Drittel des Betriebsertrages machen Spenden aus. Diese erhalten sie zu einem großen Teil von ihrem Sponsor Visana, aber auch durch viele Privatpersonen, welche der SLRG Geld spenden.
Neben diesen zwei finanziellen Stützen, erhält die SLRG auch noch Geld aus Beiträgen von Nonprofit Organisationen und Erträge aus Geldern von öffentlich-rechtlichen Körperschaften (Swiss Olympic, BASPO).

Logo SLRG; Quelle: SLRG-Homepage
Logo SLRG; Quelle: SLRG-Homepage

Schwimmtest und Tauchübungen

Neben einem BLS-AED-SRC-Zertifikat (ein Kurs, der die lebensrettenden Maßnahmen aus dem Nothelfer-Kurs repetiert), muss man für die Teilnahme an diesem Kurs, neben dem Brevet Basis Pool, auch noch eine Schwimmprüfung bestehen. Genau damit beginnen wir. In unter 5 Minuten müssen wir vier Längen, also 200 Meter schwimmen. Es kostet uns eine gewisse Überwindung ins Wasser zu steigen, denn das Wetter ist heute nicht ideal. Es ist bewölkt und kühl, zwischendurch regnet es sogar. Die Schwimmprüfung bestehen wir nach einem kurzen Aufwärmen aber trotzdem und da wir nun für den Rest des Kurses zugelassen sind, beginnen wir auch schon mit dem ersten Praxisteil, dem Tauchen. Wir beginnen mit verschiedenen Tauchübungen und Barbara erklärt uns eine geeignete Atemtechnik, um möglichst lange tauchen zu können. Barbara sagt uns: «Die allgemein bekannte Atemtechnik Hyperventilieren, ist sehr gefährlich, denn beim Hyperventilieren wird der CO2 Gehalt im Blut gesenkt und damit der Reflex, Luft zu schnappen, unterdrückt. Es kann passieren, dass man dadurch bewusstlos wird.» Zudem sollen wir vor dem Eintauchen unsere Lungen nicht ruckartig oder komplett füllen, weil wir auf diese Weise die Luft weniger lange anhalten können. Mit Barbaras Tipps und ein bisschen Übung können wir auch diesen Teil nach 30 anstrengenden Minuten mit einer Prüfung abschliessen. Bei dieser Prüfung müssen wir 15 Meter weit tauchen und anschliessend 5 Ringe auf einer Fläche von 15 m2 einsammeln. Auch diese Prüfung bestehen zum Glück alle Teilnehmer*innen.

Tödliche Schwimmunfälle in der Schweiz

In der Schweiz ertrinken gemäß Statistiken der SLRG pro Jahr durchschnittlich 45 Personen. Zu einem großen Teil passieren Todesfälle in Seen und Flüssen. Einerseits sind Seen und Fließgewässer meistens unbewacht, andererseits werden sie auch sehr oft unterschätzt. Unterschätz werden die Wassertemperaturen, denn schon ab einer Temperatur von 15°C kann es schnell zu Krämpfen oder sogar Bewusstlosigkeit kommen. Andererseits werden auch Strömungen in Flüssen oder Seen häufig unterschätzt. In der Schweiz ertrinken hauptsächlich Männer. Barbara erklärt uns, dass Männer sich häufiger überschätzen und auch häufiger unter dem Konsum von Alkohol oder Drogen baden gehen. Obwohl man in den Medien immer wieder hört, dass viele Touristen oder Migranten ertrinken, machen diese nur 14% der ertrinkenden Menschen in der Schweiz aus. Meistens ertrinken Schweizer, welche die Gewässer zwar seit ihrer Kindheit kennen, sich jedoch überschätzen und sich unnötig in Gefahr bringen. Im Wasser sterben aber nicht nur Erwachsene, sondern auch Kleinkinder, aufgrund unzureichender Beaufsichtigung. Ertrinken bleibt auch im Jahr 2021 die zweithäufigste Unfall-Todesursache bei Kindern. Zu den vielen tödlichen Ertrinkungsunfällen kommen noch zahlreiche Fälle von Beinahe-Ertrinken hinzu, die bei Kindern und Erwachsenen schwerwiegende Auswirkungen auf das weitere Leben haben können.

Ertrinkungsstatistik 2021; Quelle: SLRG-Homepage
Ertrinkungsstatistik 2021; Quelle: SLRG-Homepage

Wie können wir eine ertrinkende Person aus dem Wasser bergen?

Nachdem wir gelernt haben, wie man zu einer Person abtauchen kann und diese anschliessend an die Wasseroberfläche heraufholen kann, lernen wir jetzt, wie wir den Patienten sicher an den Beckenrand transportieren können und alleine aus dem Becken bergen können. Dafür teilt uns Barbara in Zweierteams auf. Nun spielt immer eine Person den Patienten und die andere Person den Retter. Barbara erklärt uns, welche Griffe es gibt und wann man sie anwendet. Wir erfahren, dass es unter anderem den Nacken-Stirn Griff gibt. Diesen benutzt man, falls eine Person bewusstlos ist. Wir greifen mit einer Hand unter den Nacken des Patienten und legen die andere auf seine Stirn, um den Kopf über Wasser zu halten. Damit wir vorankommen, müssen wir mit den Beinen kräftig ausschlagen. Dann gibt es noch einen Griff fürs Transportschwimmen, welchen man bei einer ansprechbaren Person anwendet. Der Patient dreht sich auf den Rücken und hält sich an den Schultern des Rettungsschwimmers fest. Der Rettungsschwimmer schwimmt in Brustlage und transportiert die verunfallte Person bis an den Beckenrand.

Theorieseite Rettungsgriffe (04.09.2022) (Bild: Laurent Schenk)
Theorieseite Rettungsgriffe (04.09.2022) (Bild: Laurent Schenk)

Bevor wir den Mittag geniessen können, kombinieren wir beide Kursteile und schliessen den Vormittag mit zwei praktischen Prüfungen ab. Zuerst müssen wir beim Zielwerfen einen Rettungswürfel aus 10 Meter Distanz zum Opfer ins Wasser werdfen. Anschliessend müssen wir in einem Rettungsschwimmparcour 45 Meter schwimmen, 5 Meter zur verunfallten Person tauchen, das Opfer 25 Meter transportieren und dabei das Zeitlimit von 2 Minuten nicht überschreiten. Da wir diesen Kursteil beide erfolgreich abschliessen, dürfen wir in unsere verdiente Mittagspause gehen.

Rettung im Urlaub

In der Mittagspause picknicken wir gemeinsam mit den anderen Teilnehmer*innen und lernen uns besser kennen. Während eines Gesprächs erzählt uns Barbara, wie sie bereits einmal im Urlaub in Zypern jemanden aus dem Meer retten musste. Sie sagt: „Das Wasser wird unterschätzt, vor allem die offenen Gewässer“.  Neben der Rettung ist das Erkennen eines Notfalls ein schwieriger Teil. In Zypern habe sie lange gebraucht, bis sie begriffen habe, dass die Person in Schwierigkeiten stecke. Schlussendlich sei es ihr jedoch gelungen, die Person sicher an Land zu bringen.

Das Wasser wird unterschätzt, vor allem die offenen Gewässer“

Barbara von Steiger, Rettungsschwimmerin

Aufsicht, Prävention und Fallbeispiel

Als unsere kurze Mittagspause zu Ende ist, geht der Tag mit einem Theorieteil im Trockenen weiter. Barbara erzählt uns, was man als Aufsichtsperson am Wasser alles beachten sollte, um Unfälle zu verhindern und in einer Notsituation weniger Stress zu haben. Wir sind erstaunt über wie viele Dinge, wie die Infrastruktur der Badi, die Schwimmkenntnisse, Allergien oder Krankheiten der Schüler, man sich im Voraus informieren muss. Zudem lernen wir, was alles beachtet werden muss, wenn ein Unfall im Wasser passiert. Dazu gehört z.B. die Koordination zwischen Betreuungspersonen, aber auch, dass Gaffer vom Unfall ferngehalten werden können, indem eine beistehende Person gebeten wird ein Badetuch aufzuspannen. Barbara sagt uns auch, dass die meisten Unfälle durch unnötige Missachtung der elementarsten Baderegeln entstehen. Die Regeln klingen banal: „Spring nicht in trübes Wasser, geh nicht überhitzt baden, konsumiere keine Drogen während dem Baden, lass Kleinkinder nie allein baden.“ Doch obwohl diese Baderegeln den meisten Menschen bekannt sind, werden sie oft gerade von jungen Leuten nicht beachtet. Deshalb hat die SLRG eine Kampagne für junge Erwachsene namens “Save your Friends” lanciert.

Baderegeln SLRG; Quelle: SLRG-Homepage
Baderegeln SLRG; Quelle: SLRG-Homepage
Theorieteil unserer Ausbildung (04.09.2022) (Bild: Léon Sermet)
Theorieteil unserer Ausbildung (04.09.2022) (Bild: Léon Sermet)
Bevor man ins Wasser springt, um einer ertrinkenden Person zu helfen, sollte man sich seinen eigenen Grenzen und Fähigkeiten bewusst sein. Barbara sagt uns ganz klar: «Begebt euch nicht selbst in Gefahr, ansonsten müssen 2 Personen gerettet werden“. Wer keine Ausbildung im Rettungsschwimmen hat, das Wasser zu kalt ist oder die ertrinkende Person wild um sich schlägt, sollte nicht ins Wasser steigen. Hilfe leisten bedeutet aber auch alarmieren, z.B indem die 112 gewählt wird (im Kanton Bern teilt die Polizei zusammen mit der Sanitätspolizei und der Feuerwehr eine gemeinsame Einsatzzentrale). Ist der Unfall an einem Fluss, sollte versucht werden, am Ufer auf Höhe der Person mitzulaufen, um der Polizei immer den aktuellen Standort melden zu können. Den Standort kann man der Polizei z.B. über die Koordinatenangaben der Rega-App mitteilen. Zudem sollen die weiteren Anweisungen der Polizei befolgt werden.

«Begebt euch nicht selbst in Gefahr»

Barbara von Steiger, Rettungsschwimmerin


Als zweitletzten Teil unseres Kurses repetieren wir die Erste-Hilfe Maßnahmen in Bezug auf Wasser. Dabei lernen wir, dass eine bewusstlose Person immer vom Wasser weggedreht werden muss, damit kein Wasser ins Gesicht des Patienten schwappt. Zudem üben wir die korrekte Anwendung eines Spineboards. Es dient dazu eine Person wirbelsäulenschonend aus dem Wasser zu bergen. Die verunfallte Person wird auf das schwimmende Spineboard platziert und mit Gurten gehalten. Anschließend hebt oder zieht der Rettungsschwimmer die Person vorsichtig aus dem Wasser. Während dieser Übung merken wir, dass es langsam kühler wird und sich der Tag dem Ende zuneigt. Um alles Gelernte nochmals zu repetieren, hat Barbara ein Fallbeispiel für uns vorbereitet. In dieser Simulation ist die ganze Gruppe körperlich und geistig sehr gefordert. Wir erhalten alle eine Rolle wie z.B. Bademeister, Gaffer oder Opfer zugewiesen. Damit spielen wir das Szenario eines ertrinkenden Kindes nach. Alle Teilnehmer sind sehr engagiert, vor allem die verzweifelte Mutter, die ihr Kind nicht loslassen will und somit den Bademeistern die Arbeit erschwert. Nachdem wir auch diesen Teil als Gruppe gemeinsam beendet haben, verabschieden wir uns erschöpft von den anderen Teilnehmern und danken Barbara für den informativen, lehrreichen und anstrengenden Tag.